
„Das Internet ist nur ein Hype“, soll Microsoft-Gründer Bill Gates Anfang der 90er auf einer Konferenz vorausgesagt haben. Wie sehr der Tech-Milliardär mit dieser Prognose damals daneben lag, wissen wir heute. Bei der Digitalisierung im Bereich der Karriereberatung könnte es sich ebenfalls um einen „Hype“ im Gates’schen Sinne handeln, der es entgegen skeptischer Prognosen doch schafft, zu überdauern und sich langfristig zu etablieren.
Warum die Entwicklung hin zu einer virtuellen Form der Karriereberatung folgerichtig ist, welche Vorteile sich daraus ergeben und weshalb auch das Ende der Pandemie diese nicht aufhalten wird, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Karriereberatung: klassisch oder digital?
Eine Karriereberatung kann „klassisch“ als Präsenzberatung erfolgen oder digital in Form von Videokonferenzen. Unabhängig von der gewählten Beratungsform bleibt das Ziel dasselbe. Ein Beispiel aus dem Outplacement: Die Klienten sollen (wieder) fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden, um schnellstmöglich eine neue Anstellung zu finden. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, gilt es den Klienten neue berufliche Perspektiven aufzuzeigen und ihre Qualifikationen und Skills mit den Anforderungen der heutigen Berufswelt abzugleichen.
Der große Unterschied zwischen klassischer und virtueller Karriereberatung besteht vor allem in der Form der Kommunikation: Beraten wird nicht mehr „analog“ von Angesicht zu Angesicht, sondern im Rahmen individueller Online-Coachings und mit Hilfe digitaler Tools. Der persönliche und direkte Kontakt der Präsenzberatung steht der modernen und technisch gestützten Online-Beratung gegenüber.
Kritiker der Online-Variante könnten behaupten, es handele sich um den Gegensatz „zwischenmenschliche Beziehung“ versus „digitale Anonymität“. Die Befürworter des virtuellen Beratungsmodus hingegen kämen wohl eher zu dem Bild einer überholten und nicht mehr zeitgemäßen, weil inflexibleren Beratungsform auf der einen sowie das eines hochgradig flexiblen digitalen Beratungsangebots auf der anderen Seite.
Die Entwicklung hin zur virtuellen Karriereberatung
Es wäre zu kurz gegriffen, die Entwicklung und den Aufstieg der virtuellen Karriereberatung allein auf das Vorhandensein der technischen Möglichkeiten zurückzuführen.
Vielmehr haben die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt die Inanspruchnahme der vielfältigen digitalen Kommunikationskanäle überhaupt erst erforderlich gemacht. Unternehmen müssen nicht nur immer schneller auf Veränderungen reagieren, sondern sich auch noch viel häufiger an (technische) Entwicklungen anpassen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das lässt sich wiederum auf den modernen Arbeitsmarkt zurückführen, der sich im ständigen Wandel befindet.
Zusätzlich leistet auch die Corona-Pandemie als genereller Treiber der Digitalisierung ihren Beitrag im Hinblick auf eine vermehrte Inanspruchnahme digitaler Beratungsangebote. So negativ sich die pandemische Krise letztlich auf die Gesellschaft und das Gesundheitssystem auswirkt, so effektiv erweist sie sich als Beschleuniger digitaler Wandlungsprozesse – so auch im Falle der Online-Karriereberatung.
Um mit dem Wandel Schritt halten zu können, müssen sich auch die Arbeitnehmer auf die veränderte Anforderungen einstellen und das eigene Skill-Set und Qualifikationsprofil immer auf dem neuesten Stand halten . Antworten auf diese neuen Herausforderungen bietet unter anderem die moderne Karriereberatung, indem sie nicht nur räumlich flexibel ist, sondern gleichzeitig allein durch ihr Wesen Möglichkeiten der digitalen (Zusammen-)Arbeit aufzeigt. Einige Beispiele:
- Immer häufiger werden Bewerbungsgespräche online durchgeführt. Viele sind in Bewerbungssituationen ohnehin recht angespannt, hinzu kommt dann die Herausforderung direkt in die Kamera zu sprechen und möglichst viel Blickkontakt zu halten. Bewerbungsgespräche dieser Art lassen sich im Rahmen von digitalen Beratungsangeboten hervorragend trainieren.
- Anstatt vor Ort im Konferenzraum Flipcharts zu beschreiben, ist heute auch digitales Brainstorming möglich, in dem alle Beteiligten zur selben Zeit auf dasselbe Dokument zugreifen. Nicht nur Unternehmen nutzen diese Form der Zusammenarbeit, auch Berater und Klient können im Rahmen der virtuellen Beratung auf diese Weise sowohl zur gleichen Zeit, als auch zeitversetzt an Dokumenten arbeiten.
- Weiterbildungen finden längst nicht mehr ausschließlich in Form von Wochenendseminaren und Präsenz-Workshops statt. Es gibt unzählige Anbieter, die Wissen in Form von Videomaterial bereitstellen und Live-Webinare anbieten. Beide Varianten finden sich auch in der digitalen Beratung wieder, beispielsweise im Outplacement.
Pro digital: Mit welchen Vorteilen eine virtuelle Karriereberatung punktet
Unabhängig von dem konkreten Anlass einer virtuellen Karriereberatung liegen die Vorteile dieser Beratungsform auf der Hand:
Flexibilität: Die digitale Karriereberatung ermöglicht eine ortsunabhängige Teilnahme der Klienten. Anfahrtszeiten und mit der Anreise verbundener Stress werden vermieden. Außerdem lassen sich die Beratungstermine gut in kleinere Einheiten aufteilen und sind kurzfristig planbar.
Kapazitäten: An Online-Workshops können potenziell mehr Klienten teilnehmen. Präsenzveranstaltungen stoßen – je nach verfügbaren Räumlichkeiten – recht schnell an ihre Grenzen, zudem ist die Teilnehmerzahl aktuell vielerorts aufgrund der Pandemie zusätzlich limitiert.
Kostenvorteile: Wenn eine Online-Karriereberatung im Zuge von e-Placements am Arbeitsplatz der Mitarbeiter durchgeführt wird, werden Ausfallzeiten minimiert, außerdem entfallen mögliche Anfahrts- und Reisekosten.
Familienfreundlichkeit: Die Digitalisierung der Arbeits- und Berufswelt ist ein wichtiger Schritt in Richtung familienfreundlichere Arbeitsbedingungen, da zunehmend das Arbeiten aus dem Homeoffice ermöglicht wird. Auch die digitale Karriereberatung lässt die Vereinbarkeit mit familiären Pflichten eher zu als Präsenzveranstaltungen.
Grundsätzlich sind die Einsatzmöglichkeiten einer virtuellen Karriereberatung ebenso vielfältig wie die einer Präsenzberatung. Es stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Präsenzberatung.
Die Präsenzberatung – quo vadis?
Sowohl die zahlreichen Vorteile einer virtuellen Karriereberatung als auch die Digitalisierung an sich sprechen auf den ersten Blick nicht für einen langfristigen Fortbestand von Präsenzberatungen. Wird diese klassische Form der Beratung dennoch weiterhin nachgefragt? In jedem Fall kann sie durch die persönliche Beziehung zwischen Berater und Klient punkten.
Bei der Karriereberatung spielt die persönliche Beziehungsebene zwischen Berater und Klient eine zentrale Rolle. Wenn die Chemie zwischen beiden Parteien stimmt und die Kommunikation auf einer Wellenlänge erfolgt, dann ist es umso wahrscheinlicher, dass die Beratung von Erfolg gekrönt ist.
Hier lässt sich wahrscheinlich für die Mehrheit der Fälle konstatieren, dass der direkte Kontakt in diesem Bereich grundsätzlich einen Vorteil gegenüber dem Online-Coaching bietet. Das heißt aber nicht, dass die soziale Interaktion, die persönliche Bindung sowie eine beiderseitige Vertrauensbasis bei der virtuellen Karriereberatung grundsätzlich ausgeschlossen sind. Qualifizierte Karriereberater wissen sehr genau, wie sie die Nachteile der Online-Beratung durch den versierten Einsatz von Sprache, interaktiven Tools sowie anschaulichem Bild- u. Textmaterial wieder kaschieren können.
Hilfreich ist auch der Einsatz geeigneter Desktop-Sharing-Tools. Mit Hilfe solcher Applikationen wird ein gemeinsames Arbeiten auf eine Weise ermöglicht als säßen Kunde und Berater zusammen an einem Tisch. Zudem kann der Austausch mit anderen Klienten auch über Online-Workshops erfolgen, was nochmal dazu beiträgt, soziale Kontakte zu knüpfen und eine Gruppendynamik zu erzeugen, die den Kunden das Gefühl gibt, nicht allein zu sein.
Ein erfahrener Berater wird also auch online in der Lage sein, seine Klienten auf einer persönlichen Ebene zu erreichen, indem er diese beispielsweise dazu animiert, sich aktiv im Zuge von Aufgaben und Fragerunden in das Coaching einzubringen. Ein wenig erfahrener Berater hingegen wird es wohlmöglich auch im direkten Kontakt nicht schaffen, eine gemeinsame Vertrauensbasis mit dem Kunden zu erarbeiten. Ob also das Zwischenmenschliche auch im Rahmen einer digitalen Karriereberatung zum Tragen kommt, hängt ganz vom jeweiligen Coach ab.
Letztlich bedeutet das alles für die klassische Präsenzberatung aber, dass Berater und Coaches mit der Zeit immer versierter darin werden, auch online eine persönliche Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen. Zudem ist damit zu rechnen, dass sich die Wahrnehmung der Menschen mehr und mehr an die digitale Kommunikation anpassen und gewöhnen wird. Somit ist vielleicht kein schnelles Verschwinden klassischer Karriereberatungen zu erwarten, sehr wohl aber deren geringe Bedeutung auf lange Sicht.
Ausblick und zukünftige Entwicklung
Im Moment zeichnet sich noch kein Wandel hin zu einer Nachfrage nach ausschließlich virtuellen Beratungsangeboten ab. Schließlich sind auch hybride Formen der Karriereberatung denkbar: zum einen kann die klassische face-to-face-Beratung durch digitale Tools und Meetings ergänzt werden, zum anderen kann die klassische, individuelle Beratung face-to-face erfolgen und dann durch Online-Angebote ergänzt werden.
Eine hybride Form ist immer dort sinnvoll, wo die Karriereberatung über die reine Vermittlung des Handwerks hinausgeht und vermehrt Coaching-Elemente greifen. Hier kann eine Präsenz sehr förderlich für den Prozess sein und diesen optimal unterstützen.
Grundsätzlich macht der ausschließliche Einsatz der virtuellen Karriereberatung dann Sinn, wenn die Anforderungen an zeitliche und räumliche Flexibilität besonders hoch sind. Aus Unternehmenssicht könnte es sich dabei beispielsweise um ein Outplacement-Szenario handeln, bei dem viele Beschäftigte an unterschiedlichen Standorten gleichzeitig betroffen sind. Man kann aber schlussendlich davon ausgehen, dass wir auch über das Ende der Corona-Pandemie hinaus noch einige Zeit eine Mischform aus virtueller und analoger Karriereberatung erleben werden. Danach ist eher damit zu rechnen, dass sich das Gros der Anbieter der digitalen Karriereberatung zuschreiben wird. Einige wenige Anbieter könnten mit dem Argument der Qualität und dem Bemühen, sich von der Mehrheit abzugrenzen, weiterhin ihren Schwerpunkt auf Präsenzberatungen legen. Für nachfolgende Generationen ist es aber eher unwahrscheinlich, dass die Präsenz vor Ort noch ein Qualitätsmerkmal darstellen wird. Es ist also für die nächsten Jahre von einer sinkenden Nachfrage nach der bislang noch als „normal“ angesehenen Präsenzberatung auszugehen.
Die Vorteile einer virtuellen Karriereberatung überwiegen letztlich derart, dass diese immer mehr zur Normalität werden wird. Auch das Ende der Corona-Pandemie kann diesen Wandel nicht verhindern, sondern allenfalls dessen Tempo etwas abbremsen. Alles in allem ist die Digitalisierung nämlich kein zeitlich begrenzter Hype, sondern eine langfristige und nachhaltig wirkende Entwicklung.
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